Die rechte Blockbildung der CDU

Ich bin nach dem Skandal um die Nicht-Berufung der Richter*innen für das Bundesverfassungsgericht [–> LINK] in der letzten Woche hart angestrengt von dem öffentlichen Versuch, die CDU „wieder ins demokratische Boot zu holen“. Ich verstehe das Ansinnen, angesichts dessen, dass die CDU gerade die stärkste Partei ist, und dem destruktiven Potential, was davon ausgeht, dass sie angeblichen „demokratischen parlamentarischen Gepflogenheiten“ bei der Berufung der Richter*innen nicht gefolgt ist.

Von moderat-konservativ über anti-demokratisch bis rechtsradikal: das potentielle Spektrum der CDU

Aber ich finde es wichtig, zu betonen, dass die CDU in der bundesdeutschen Geschichte immer ein sehr breites Kontinuum an konservativen Positionen abgebildet hat. Diese reichten von moderativ konservativen Positionen über rechtskonservative Positionen mit klaren antidemokratischen und obrigkeitsstaatlichen Tendenzen bis zum offenen Rechtsradikalismus im „bürgerlichen Anzug“ – letzeres gerade auf dem Feld Innere Sicherheit durch offene Hetze gegen Migrant*innen und eine im Kern anti-demokratische Politik der Repression und Überwachung durch die repressiven Staatsapparate, aber auch auf den Feldern Sozialpolitik (Hetze gegen Arme), Geschlechterpolitik (u.a. beim Thema Abtreibung, aber auch bei der Vergewaltigung in der Ehe), Umweltpolitik (Leugnung der Klimakatastrophe) u.v.m..

Inhalte des neuen rechten Blocks unter Führung der CDU

Wenn ich nur die 3 grossen Aufreger nehme, die dieses Jahr unter der Führung von Merz und Spahn von der CDU massgeblich entschieden wurden – also Durchstimmen der neuen Migrationspolitik mit der Afd (Januar 2025), Aussitzen des Maskenskandals durch die CDU-Führung (Juni 2025) und nun die Torpedierung der linksliberalen Richterin Brosius-Gersdorf für das Bundesverfassungsgericht (Juli 2025), zeichnet sich meines Erachtens die Bildung eines neuen rechten Blocks ab.

Dieser ist im Kern „antidemokratisch“, d.h. programmatisch rechts (Contra-Abtreibung, Contra-Migration, Contra-Wohlfahrt, Contra-Grundrechte usw.), paktiert offen mit rechtsradikalen Kräften und ersetzt „parlamentarische Gepflogenheiten“ durch eine machtbewusste rechte Transformationsstrategie im Zusammenspiel mit der AfD und rechten zivilgesellschaftlichen Kräften.

Die „politischen Skandale“ im Jahr 2025: bewusste Grenzverschiebung

Ich gehe dabei davon aus, dass

– Merz wusste was er tat, als er im Januar mit Stimmen der AfD die Wende in der Migrationspolitik einläutete, und damit sowohl die Positionen der AfD als auch die AfD als parlamentarische Machtoption für die CDU normalisierte

– Spahn weiss was er mit seinem Schweigen über den Untersuchungsbericht zur Maskenaffäre bewirkt, dass also sein Wegwischen der Berichte und das Totschweigen seiner eigenen Inkompetenz bei den Maskenkäufen und die offene Korruption bei der Maskenbeschaffung Wasser auf die Mühlen jener sind, die parlamentarische Politik nur noch als „korrupt“ und „selbstbereichernd“ wahrnehmen

– Merz und Spahn wussten, dass sie die Autonomie des Bundesverfassungsgerichts und der Justiz im allgemeinen durch ihre inhaltlich motivierte Absage an die Kandidatin Brosius-Gersdorf beschädigen. Gleichzeitig initiierten sie zusammen mit rechten Medien eine öffentliche Kampagne gegen die Kandidatin, die darauf abzielte, diese als nicht „tragfähig“ im Sinne eines vermeintlichen rechten politischen Konsenses, der Abtreibung ablehnt und sich gegen eine AfD-Verbotsverfahren wehrt, darzustellen. Im Kern nutzten Spahn und Merz also den eigentlich durch formale Regeln relativ vorbestimmten Ablauf der Richter*innenwahl, um eine hegemoniepolitische rechte Attacke zu fahren.

Demokratisch“ ist Praxis und kein Label

Ich glaube, ich finde es richtig, zu beobachten, wie sich die CDU in diesen Punkten in den kommenden Monaten weiterentwickelt. Wenn sich jedoch am inhaltlichen Kurs der CDU nichts ändert, hoffe ich, dass in Zukunft weniger auf Merz sauerländischen Sparkassen-Filialleiter-Habitus oder Spahns „Hör- und Wahrnehmungsprobleme bei der Maskenaffäre“ eingegangen wird, und auch der CDU qua Parteiname oder vergangener moderat konservativer Abgeordneter nicht immer automatisch eine „demokratischer Stil“ angedichtet wird, den das aktuelle Personal, dass zwischen rechtskonservativen und rechtsradikalen Positionen oszilliert, einfach nicht hergibt.

Ganz im Gegenteil: Merz und Spahn fahren meines Erachtens bewusst auf dem Ticket einer „demokratischen Partei“, um ihre eigene rechte Blockbildung voranzutreiben. Die CDU oszilliert dabei fröhlich zwischen rechtskonservativen und rechtsradikalen Positionen und Bündnisses. Ob dort am Ende dann eine deutschnationale CDU-AfD-Koalition bei rauskommt oder eine rechtskonservative GroKo mit einer SPD in devoter Knechtstellung vor den machtpolitischen Drohungen der CDU ist dann auch egal bzw. liegt das dann alles in den Händen der Spahns und Merzens und ihren Selbstpositionen am rechten Rand des Konservatismus.

Linker Widerstand gegen permanente anti-demokratische Politik der CDU

Dagegen hilft wohl mal wieder nur linker Widerstand. Die Linkspartei und insbesondere Heidi Reichinek von der Linken machen es meines Erachtens gerade sehr gut vor, wie es geht, im parlamentarischen Raum die rechtsmotivierten politischen Brüche der CDU zu markieren und zu kritisieren. Es verbleibt in der Ansprache aber natürlich im parlamentarischen Rahmen, d.h. auch Reichinek appelliert noch an die CDU-Leute „sich zu besinnen“ [–> vgl. Reichineks Rede im Bundestag nach der Absagung der Abstimmung].

Ein außerparlamentarischer linker Diskurs sollte sich meines Erachtens davon weitgehend frei machen bzw hat eine andere Aufgabe: ohne kollegialen Anstrich frühzeitig auf anti-demokratische und rechte Tendenzen hinzuweisen, linke Positionen von der Zivilgesellschaft ausgehend selbstbewusst zu verteidigen und offene rechte Blockbildungen direkt zu benennen und anzugreifen. Oder anders gesagt: wer das „demokratische Boot“ -wie die CDU momentan – so offensichtlich verlässt, und so motiviert die rechte Welle reitet, dem sollte keine „demokratische Träne“ nachgeweint werden, sondern ein massiver basisdemokratischer Ausgrenzungsdiskurs entgegengebracht und das Wasser offen abgegraben werden. Kein Fussbreit einer solchen CDU und ihrer rechten Politik und Blockbildung.